Im Italien der Nachkriegsjahre verändern sich die Arbeitsbedingungen der traditionellen italienischen Karosseriefirmen. Die zurückgehende Nachfrage nach Einzel- und Spezialkarosserien wird zunehmend durch die Produktion von Kleinserien ersetzt, die von den großen Automobilherstellern an kleinere Carrozzieri ausgelagert wird. Dadurch kann die italienische Automobilindustrie sportliche und luxuriöse Coupès und Spider anbieten, deren beschränkte Absatzmöglichkeiten keine Großserienproduktion gestatten. Bertone und Pininfarina sind Ende der fünfziger Jahre die bekanntesten Vertreter dieser neuen Ära. Beide haben bereits neue und größere Produktionsstätten außerhalb Turins gebaut und fertigen dort unter anderem so erfolgreiche Modelle wie das Alfa Romeo Giulietta Sprint Coupé (Bertone) oder die Cabriolets für die Fiat 1200/1500 Baureihe (Pininfarina).
Ehemaliger Standort der Stabilimenti Ghia-Monviso, Corso Unione Sovietica 75, Ecke Corso Bramante, Torino
Auch Ghia ist auf der Suche nach größeren Produktionsstätten und übernimmt 1954 den Kleinserienhersteller Carrozzeria Stabilimenti Monviso. Im Zuge dieser Übernahme verlegt Ghia seinen Firmensitz von der Via Tommaso Grossi an den Corso Unione Sovietica 75, der Adresse der Carrozzeria Monviso. Die Ghia S.p.A. bleibt für die Fertigung von Prototypen, Einzelstücken und Spezialkarosserien zuständig und Monviso (Ghia Serie-Speciali) übernimmt die Produktion der Kleinserien. Es zeigt sich aber schnell, dass die Übernahme an diesem Standort nicht die erhoffte Kapazitätserweiterung mit sich bringt und so zieht Ghia bereits 1957 in die neue und größere Fabrikationsanlagen an der Via Agostino da Montefeltro 5.
Stabilimenti Ghia, Via Agostino da Montefeltro 5, Torino
Bereits kurz nach dem Umzug ergibt sich hier für Ghia die Möglichkeit seine Fertigung in einer leer stehenden Munitionsfabrik auf der gegenüberliegenden Straßenseite (Via Agostino da Montefeltro 10) noch einmal auszuweiten. Um diesen Schritt realisieren zu können, geht Ghia eine Kooperation mit Italiens führenden Felgenhersteller Fergat ein. Fergat/Olivetti stellen die finanziellen Mittel zur Verfügung um die Fabrikationsanlagen kaufen und erweitern zu können.
Luftbild des Ghia OSI Geländes vor dem Umbau. Im vorderen Bereich der OSI Gebäude fehlt noch der Anbau an die Fabrikhallen mit dem halbrunden Eingang an der Via Agostino da Montefeltro 10.
Illustration des neuen Ghia OSI Geländes. In der Zeichnung sind beide Firmen durch einen Übergang über die Via Agostino da Montefeltro miteinander verbunden. Rechts oben die neu geplante OSI Fabrik. Links das dreickige Gelände der Ghia S.p.A.
Illustrationen des Design Studios Tecnoveduta für die einzelnen Ebenen im geplanten Neubau der OSI Fabrik in der Via Agostino da Montefeltro 10.
Ghia besitzt seit der Monviso Übernahme noch die Societa Apparecchi O.S. Ein kleiner Betrieb, der Zulieferteile für die Automobilindustrie, sowie Stationärmotoren und Pumpen für die Landwirtschaft produziert. Im Juni 1960 wird die Apparecchi O.S. umbenannt und heißt ab jetzt Officine Stampaggi Industriali S.p.A. Das Fertigungsprogramm der Apparecchi O.S. wird somit von O.S.I. übernommen und unter dem neuen Namen weitergeführt.
Das Produktionsprogramm der OSI S.p.A. vor Beginn der Automobilproduktion.
Motorenteile, Getriebe, Pumpen und Stationärmotoren (Lizenz Motosacoche)
Die ersten Aufträge zur Fahrzeugproduktion kommen von Innocenti für den von Ghia entworfenen Innocenti 950 Spyder auf Basis Austin Healey Sprite, sowie von Fiat mit den Modellen Fiat 2300 Coupè und später dem Fiat 1300/1500 Familiare.
Bereits ab 1962 beschäftigt OSI etwa 645 Mitarbeiter und fertigt knapp 50 Autos am Tag.
Produktion des Innocenti 950 Spyder und Fiat 2300 Coupé – OSI S.p.A. Anfang der 60er Jahre
Produktion des Fiat 1300/1500 Familiare – OSI S.p.A. Anfang der 60er Jahre
Qualitätskontrolle im Finish am Ende der Lackierstraße, Innocenti 950 Spyder und Fiat 1300/1500 Familiare – OSI S.p.A. Anfang der 60er Jahre
Luigi Segre, (* 8. November 1919 in Neapel; † 28. Februar 1963 in Turin)
Im Februar 1963 stirbt Ghia-Präsident Luigi Segre im Alter von nur 44 Jahren während einer Blinddarm Operation und in der Folge wird die OSI S.p.A. vollständig vom zweiten Anteilseigner, der Fergat S.p.A. übernommen, die Giacomo Bianco als neuen Genraldirektor bestimmt.
Prototyp OSI 1200 S Spider auf dem Stand der OSI, Salone dell'Automobile di Torino 1963
Auf dem Turiner Automobilsalon im Herbst 1963 ist die Carrozzeria OSI erstmals mit einem eigenen Stand vertreten und präsentiert den von Giovanni Michelotti entworfenen OSI 1200S Spider. Ein Cabriolet auf dem um 20 cm verkürzten Fahrgestell der populären Fiat 1100D Limousine. In den folgenden Jahren werden zahlreiche weitere Prototypen und Kleinserien produziert und OSI baut seine Kapazitäten kontinuierlich aus.
1965 arbeiten bereits 1.000 Mitarbeiter im 3-Schicht Betrieb und die tägliche Fahrzeugproduktion beträgt 120 Autos, wovon allein 60 Stück auf den Ford Anglia Torino entfallen.
Serienfertigung des Ford Anglia Torino – OSI S.p.A. 1965
Das Design Studio – Centro Stile e Esperienze, Borgaro Torinese
Mit dem neuen Geschäftsführer Giacomo Bianco erhält die OSI ab 1965 eine eigene Designabteilung im Turiner Vorort Borgaro. Hier sind zeitweise bis zu 80 Mitarbeiter in den Bereichen Design, Entwicklung, Konstruktion und Prototypenbau tätig.
1966 erweitert die OSI ihr Gelände noch einmal um 2 Gebäude und die Mitarbeiterzahl ist mittlerweile auf 2.000 angewachsen. Die OSI beschäftigt sich in dieser Zeit auch immer wieder mit Alternativen zu den herkömmlichen Stahl-Karosserien. So entstehen verschiedene Prototypen mit Aluminium oder Fiberglas-Karosserien sowie im Zuge einer Zusammenarbeit mit Alpine Engineering und Marbon-Chemical ein Modell aus dem vakuumformbaren Kunststoff Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS), der unter dem Handelsnamen Cycolac vertrieben wird.
Mit dem Ende der Produktion des Ford Anglia Torino und des Fiat 1300/1500 Familiare geht die Tagesproduktion und die Zahl der Mitarbeiter deutlich zurück, da Folgeaufträge in vergleichbarer Größenordnung fehlen.
Prototyp OSI Alpine CRV, Cycolac Research Vehicle. Selbsttragendes Chassis aus GFK, Technik Alpine Gordini, Karrosserie aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol)
Der Turiner Automobilsalon 1967 wird der letzte Auftritt der OSI als Automobilhersteller. Die Eigentümer entscheiden sich die OSI S.p.A. aus dem Automobilbau zurückzuziehen. Im November 1967 schließt die das Centro-Stile e Esperienze. OSI Chef-Designer Sartorelli und mit ihm viele Mitarbeiter des Design Büros nehmen ein neues Engagement beim Centro Stile Fiat an. Andere gehen zurück zu Ghia oder machen sich mit eigenen Unternehmen selbstständig. Im Januar 1968 räumt Giacomo Bianco seinen Posten als Generaldirektor und OSI entlässt noch einmal knapp ein Drittel der Mitarbeiter.
Carrozzeria OSI auf dem Automobilsalon Turin 1967. Im Vordergrund der OSI Alpine Bisiluro Silver Fox, dahinter OSI Fiat 850 Weekend und als Vorschlag für den Nachfolger des Fiat 1500 Familiare der OSI Fiat 125 Familiare.
Carrozzeria OSI auf dem Automobilsalon Turin 1967. Auf der anderen Seite des Standes stehen die OSI Alfa Romeo 2600 de Luxe Limousine, das OSI 20m TS Coupé und er Prototyp des 20m TS Covertibles.
Anfang der 70er Jahre werden die beiden Firmen Gianetti Ruote und OSI als Teil der Magnetto Gruppe zusammengelegt. Der neue Firmensitz ist jetzt in Mailand. Die OSI betätigt sich von nun als Presswerk für Felgen und Fahrzeugteile und bietet die Entwicklung und Fertigung von Presswerkzeugen bis hin zur Planung und Ausstattung von kompletten Presswerken wie z.B. für das LKW Werk FSC Lublin in Polen an. Die OSI besteht innerhalb der Magnetto Gruppe noch bis knapp zur Jahrtausendwende, bevor sie ihren Betrieb ganz einstellt.
Karosserieteile, Produktion Stabilimenti OSI, Anfang der 70er Jahre
Stanzwerkzeuge, Produktion Stabilimenti OSI, Anfang der 70er Jahre